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Bernd Zachow

Ausstellung Peter König, Kunstverein Erlangen, Eröffnung am 2. Okt. 2012

Meine Damen und Herren,
wir eröffnen heute eine Ausstellung, welcher auf den ersten Blick
zweierlei fehlt: 1) Die sprichwörtliche Heiterkeit der Kunst uind 2)
die mittlerweile fast ebenso sprichwörtliche inhaltliche Beliebig-
keit und Bedeutungsarmut der ZEITGENÖSSISCHEN Kunst.

Inhalt und Bedeutung gibt es bei Peter König reichlich. Und dieser
Inhalt und diese Bedeutung sind von einer Art, die mich zu einem
kleinen Abstecher in kulturhistorisch-theologische Gefilde zwingt.

Seit diversen Jahren arbeitet der Nürnberger Maler und Zeichner
Peter König an einer Bildserie mit dem Titel "Die Leiden des Pe-
ter K.". Dabei interpretiert er persönliche Schicksalsmomente als
Teile einer ganz persönlichen Passion. Anders gesagt: Die Arbei-
ten veranschaulichen Stationen eines privaten Kreuz-Weges.

Der Künstler stellt sich also in eine intellektuell-ästhetische Tradition,
die vor sehr langer Zeit in Europa begonnen hat. Im Gefolge des
aus dem Vorderen Orient stammenden Christentums hat damals
die asiatische Kultur des Leidens bei uns Einzug gehalten. Die An-
hänger der besagten Glaubensrichtung waren aufgefordert, das
Erdulden von Leid als Auszeichnung zu verstehen, als vornehms-
te Form der Nachfolge -bzw. Nachahmung- Christi.  Die Selbstauf-
opferung, das Märtyrertum,  galt und gilt den Gläubigen als Inbegriff
des Guten und des Gerechten, als Inbegriff des Heiligmäßigen und
des Auserwähltseins.

"Darum werden die guten Menschen so oft mit Leiden heimgesucht",
heißt es unter traditionsbewussten Katholiken: "Den Guten traut
Gott etwas zu." Und der heilige Paulus schreibt: "Nun freue ich mich
über mein Leiden und ergänze das, was an Christi Drangsalen noch
aussteht, an meinem Fleisch."

Das ist allerdings nur die eine Seite der Lehre. Das Leiden ist selbst-
verständlich auch im Christentum nicht nur Ausdruck  frommen Gott-
vertrauens. Es geht offiziell keineswegs um  masochistisches,
selbstgerechtes Schwelgen in der eigenen Leidenfähigkeit sein.  Das
Leiden soll vielmehr vor allem läutern, soll sensibilisieren für anderes
Leid. Denn, so wird behauptet: "In einer leidfreien Welt gäbe es weder
Nächstenliebe noch Mitleid, weder Barmherzigkeit noch Selbstlosigkeit."
Für den Gläubigen ist also die göttliche Barmherzigkeit nicht weniger vor-
bildhaft wie die göttliche Opferbereitschaft.

Vom Augenblick, in dem sich in seiner Version der Passiosgeschichte
höchstes Mitleid und höchste Barmherzigkeit manifestieren, erzählen die
hier ausgestellten neuen Bilder von Peter König. Sichtbar gemacht ist
das Ziel und die Vollendung des Kreuzweges. Es geht um die Sinn-Er-
füllung der vorhergegangenen Torturen.

Zu sehen ist vordergründig eine symbolische Darstellung der letzten
Worte Christ am Kreuz, wie sie im Lukas-Evangelium stehen. Da ruft
der Gekreuzigte: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist." In
dieser angeblich allerletzten Äußerung vor seinem Tod klingt Psalm
31 an: "Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich leg-
ten, denn du bist meine Zuflucht. In deine Hände lege ich voll Ver-
trauen meinen Geist." Da wir uns in Erlangen in einem Zentrum des
Protestantismus befinden, werden manche von Ihnen  dabei auch an
die Verse eines berühmten Kirchenliedes denken: "So nimm denn
meine Hände und führe mich..."

Das alles ist aber bereits Interpretation, zu der uns Peter Königs Bilder
anregen. Konkret sehen wir bei deren Betrachtung: Eine mit einem über-
mäßig dicken Nagel durchbohrte Hand, die von einer anderen Hand
sanft umschlossen wird. Auf diese Weise scheint die barmherzige
Hand die gemarterte nach und nach vom Kreuzesbalken zu lösen.

Auch hier folgt Peter König auf seine eigenwillige Art der traditionellen
christlichen Ikonografie. Wobei gesagt werden muss, dass die Hand
Gottes als Symbol für dessen Zuwendung keine christliche Erfindung ist.
Vergleichbare Darstellungen gibt es bereits im Alten Ägypten, und in
der hinduistisch-buddhistischen Kultur Asiens. Es ist daher sicher nicht
vermessen, wenn wir vermuten, dass diese im Alten Orient sehr verbreite-
te Vorstellung vom direkten "Eingreifen" Gottes in weltliche Vorgänge
im jüdisch-christlichen Glauben übernommen wurde. Gottes schaffende,
schützende, segnende und führende Hand wird allein im Alten Testa-
ment  über 200 Mal erwähnt.

Doch auch unabhängig von solchem kulturhistorischen Hintergrund
verstehen wir heute spontan die Sprache der von Peter König gezeich-
neten Hände. Wir verstehen, was die von ihm dargestellte Begegnung
zweier Hände demonstriert. Hier, so wird demonstriert, hier sind zwei in
Liebe und Vertrauen miteinander verbunden: der noch junge Men-
schensohn und der ewig junge Gott. Kreuzesbalken und Nagel treten
in den Hintergrund, es ist vollbracht, es schlägt die Stunde der Erret-
tung und Erlösung.

Es ist wohl das tiefere Geheimnis der erstaunlichen Langlebigkeit
religiöser Vorstellungen, dass sie nicht nur menschliche Grunderfah-
rungen thematisieren, sondern ihnen auch immer wieder überpersön-
lichen Sinn verleihen. Der komplexe Zusammenhang von Lieben und
Leiden, von Zweifel und Hoffnung, den jeder von uns kennt, wird in der
religiösen Überhöhung zur notwendigen Voraussetzung für die Erkennt-
nis von Recht und Unrecht, von Wert und Unwert.

Nur das Bewusstsein des Leidens befähigt den Menschen zum bewuss-
ten Erleben der Freude. Nur das Wissen um seine weitgehende Hilf-
losigkeit und Einsamkeit lässt ihn hoffen auf Beistand, auf Anteilnahme
im Himmel wie auf Erden.

Der auf uns lastende Leidensdruck ist der wichtigste Grund für die Ent-
stehung von Religion, Wissenschaft und Kunst. "Und wo der Mensch in
seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide", sagt
Goethes Tasso. In einer Welt ohne Bewusstsein des Leidens gäbe es
keine Literatur, keine Musik keine Kunst. Das Tragische ist der Grundton
von alledem. Noch in der vermeintlich heitersten Kunstäußerung schwingt
das Wissen um die Vergänglichkeit und Brüchigkeit unseres Seins mit.

Echte Glücksmomente empfinden wir als eine Form der tiefen Erschütte-
rung, die der plötzlichen Trauer ziemlich nahe kommt. Die Fröhlichkeit
ist eine Zwillingsschwester der Melancholie. Im Witz wehrt und wappnet
sich die Seele gegen drohendes Unglück und Verzweiflung. All das vor-
dergründig Leichte ist ein Trotzdem. Das vollkommene Idyll ist in der
Kunst nur um den Preis der Einfalt oder der Verlogenheit zu haben.

Peter König steht zu seinen Ängsten und Schmerzen und zu seiner außer-
gewöhnlich entwickelten Fähigkeit, diese künstlerisch zu formulieren.
Er steht zu seinen Schwächen und zu seiner Sehnsucht nach Führung und
Leitung. Er weiß, dass das Leidensbringende  auf Dauer nicht verdrängt
werden kann. Dass nur das Annehmen und Benennen des Quälenden
zu dessen letztlicher Überwindung führen kann. So ist seine Kunst stets
eine Form von Glauben und damit eine Form der Selbsttherapie. "Er-
schaffend wurde ich gesund, erschaffend konnte ich genesen", wie Hein-
rich Heine geschrieben hat.

Nach christlicher Auffassung ist diese Kraft zur Selbstheilung ein göttliches
Privileg, ist das schöpferische Talent ein Ausdruck göttlicher Gnade.
Wenn das stimmt, dann hat Peter König allemal bereits ein Gutteil Gnade
empfangen. Ungewöhnliches Talent befähigt ihn, traditionelle Inhalte und
Gedanken auf höchst originelle Weise zu zitieren und schöpferisch weiter
zu entwickeln.

Die  hier gezeigten Darstellungen der Pietà, das heißt des Mitleidens und
der Barmherigkeit, unterscheiden sich formal von der in der europäischen
Kunstgeschichte üblichen Pietà, die in der Regel die Beweinung des Todes
Christi durch seine Mutter Maria zeigt. Doch das ist nicht das hauptsächlich
Neue bei Peter König. Neu ist der geistig-emotionale  Gehalt.

Königs Bilder definieren die Suche nach Barmherzigkeit als Suche nach
einer Vereinigung mit Gott. Man könnte auch sagen, der Künstler ringt um
die symbolische Darstellung einer Gottesliebe, die NICHT -wie im Westen
mittlerweile üblich- im Wesentlichen ein Denkerlebnis ist, sondern ein Ge-
fühl des mystischen Einsseins, wie es die östlichen Religionen seit jeher
kennen. Eines Einsseins, eines Erfülltseins  vom Göttlichen, das dann
durchaus in segensreichen alltäglichen Handlungen zum Ausdruck kommt.

Peter König ist also ein später Vertreter eines europäischen Mystizismus.
Er ist einer, der sein erstaunliches handwerkliches Können nicht in erster
Linie einsetzt, um den Betrachter mit täuschend ähnlichen Abbildern der
sinnlich erfahrbaren Welt zu erstaunen. Weit mehr geht es um innere Welten.
König will uns irritieren, er will unsere konventionelle, oberflächliche Welt-
sicht stören.

Und deshalb ist es bei ihm kein Ausdruck einer frivolen Künstlerlaune, wenn
er die auf den ersten Blick perfekt naturalistische Darstellung der menschli-
chen Anatomie unvermittelt gewaltsam und grotesk verzerrt. Brüche und Ver-
werfungen, perspektivische Verzeichnungen sind bewusste Aktionen gegen
das allzu Glatte, das allzu Gewohnte, gegen das inhaltsleer und gleichgültig
Gewordene.

Peter Königs wuchtige Grafit-Gemälde sind keine netten Andachtsbildchen,
sondern Aufforderungen zur geduldigen Meditation über existenzielle Fragen,
betreffend das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft. Diese Aufforderung
richtet sich nicht nur an Gläubige, sondern an alle: an die Frommen ebenso
wie an die Freidenker.

Die hier gezeigten Bilder sind ein vorläufiger Höhepunkt im Schaffen von
Peter König. Diese Bilder sind Brücken vom Thema Leiden zum Thema  
Liebe, dem größten Mysterium der menschlichen Existenz. In Königs neuen
Bildern tritt die Frage nach Glauben oder Nichtglauben in den Hintergrund
zugunsten der Gewissheit von Hoffnung und Liebe. Hoffnung und Liebe:  da-
von kann es in dieser Welt nie zu viel geben.

Bernd Zachow

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